Zwischen Waren Und Werden
Für alle die, die meinen hochphilosophischen Blog-Titel des Tages nicht verstanden haben: Waren (Müritztriathlon) ist vorbei und abgehakt. Der Ironman Kopenhagen steht vor der Tür.
Vorab als kleine Warnung: Ich trainiere aktuell nicht so viel wie sonst (so ist das eine Woche vor einem Ironman), habe aber mehr zu erzählen.
Über den letzten Wettkampf hatte ich ja schon einiges geschrieben, aber so abschließend als letztes Fazit mit viel Abstand und keinen Emotionen muss ich unterm Strich sagen: Die Leistung hat im Großen und Ganzen an vielen Stellen gepasst, sonst kriegst du auch keine Zeit unter 4 Stunden auf die Reihe. Das es in unserem leistungsdichten Triathlon-Land dann nur für Platz 19 gereicht hat, war ärgerlich und nicht zufriedenstellend, aber das war schlussendlich auch gar nicht so entscheidend in diesem Fall. Es war entscheidend, an einer Startlinie zu stehen, eine Ziellinie zu sehen und dazwischen eine solide Performance zu liefern.
Das es hier und da am Fokus und der letzten Konsequenz gefehlt hatte, ist ein Fehler – klar, wobei ich auch hier sagen muss: Das sind – besonders wenn man das Radfahren nimmt – Nuancen. Es ist ja nicht so, dass ich angehalten habe und Fotos gemacht habe oder beim Laufen mich mal auf die Bank gesetzt hätte. Aber: Eben genau darum geht es mir ja. Ein hohes – irgendwann sogar höchstes – Niveau bringen, die Leistung die ich aktuell bringen kann perfekt abrufen ohne irgendwo irgendetwas liegen zu lassen.
Warum schreibe ich das? Weil ich viele Nachrichten und Reaktion auf den Wettkampf bekommen habe, die entweder schwarz oder weiß waren. Heißt also, es gab Leute, die fanden das super und es gab Leute, die der Meinung sind, ich soll ab morgen lieber Kegeln gehen (Achtung: Ich würde mich dabei sehr wahrscheinlich sehr schnell verletzen 😉).
Wie man jetzt noch einmal kurz zusammengefasst lesen kann: In der Mitte liegt die Wahrheit. Und diese ist sogar eher tendenziell auf der guten, als auf der schlechten Seite.
Es ist work in progress, wie man so schön sagt.
Eine Woche noch zum Ironman Kopenhagen
Spulen wir also 14 Tage vor: Der Ironman steht vor der Tür. Endlich.
Ich habe mir hier zuletzt viele Gedanken gemacht (nicht zuletzt auch aufgrund der o.g. Nachrichten aus der eher negativen Ecke), was meine Erwartungen angeht aber auch, was die Erwartungen von außen angeht.
Zuerst mal: Das ist ein Feld mit absoluten Weltklasse Athleten, die seit Jahren, Jahrzehnten im „Business“ sind und die dort den Sieg mit einer Zeit von unter 8 Stunden unter sich ausmachen werden.
Nein, da gehöre ich (noch) nicht dazu. Fakt.
Ein kurzer Rückblick: Als ich 2019 beschlossen habe, Triathlon Profi zu werden, war das ja keine Entscheidung, die ich mal zwischen zwei Bier getroffen habe in einer Laune, weil ich keine Lust mehr auf meine damalige Arbeit hatte.
Ich hatte ein Job Angebot mit 80.000€ Grundgehalt (pro Jahr übrigens) auf dem Tisch und wusste, das Leben würde sich (klingt dramatisch, war es für mich damals auch) jetzt in die eine oder andere Richtung begeben. Klar, ich kann immer, jederzeit, sofort wieder anfangen „normal“ zu arbeiten. Da reicht ein Anruf. Aber mein Gedanke damals war: Ich will diesen kompletten Ehrgeiz, alle Energie, diese Leidenschaft für den Sport bündeln – mich voll darauf konzentrieren für ein paar Jahre und ich will sehen, was möglich ist. Und jeder der sich mit Ausdauersport befasst weiß, es ist verdammt viel möglich – mit Gesundheit, dem richtigen Training (und Trainer), Ehrgeiz & Geduld, ein wenig Glück und viel Rückhalt von den Leuten, die es mit einem aushalten.
Sicherlich hat es auch etwas damit zu tun, wie ich gewisse Sachen anpacke: Ganz oder gar nicht. Ich hatte früher Zeiten, da habe ich mehr Geld auf Fußballspiele gesetzt als ich irgendwo rumliegen hatte, mehr Bier und Wodka Bull getrunken als in irgendeiner Form vernünftig gewesen wäre und auch bei der Arbeit hatte ich die Phasen, in denen ich auch dann gearbeitet hatte, als ich eigentlich frei hatte aber dafür auch mehr Erfolg, als der typische seven-to-fiver. Extreme, könnte man sagen. Stimmt zum Teil auch. Sport / Triathlon war das Ventil für vieles. Es wurde auch hier diese 0 oder 100% Sache. Und das ist gut so!
Jeder der mich in irgendeiner Art und Weise verfolgt weiß, dass letztes Jahr nicht mit Glück übersäht war und das auch dieses Jahr nicht verletzungsfrei lief – das gehört aber zum Leistungs- oder Profisport genauso dazu, wie eine Falschlieferung beim Großhandel die einige Tausend Euro kostet.
Es ist immer das, was man aus einer Verletzung macht.
Dieser Weg, den ich eingeschlagen habe, war nie exakt planbar und würde nie leicht werden – wusste ich davor. Bereue ich den Schritt und würde nächste Woche lieber als Age-Grouper starten? Absolut nein!
Mein Ziel war es, ist es und wird es so lange bleiben, wie ich das ganze mache (also hoffentlich noch viele Jahre): Die Qualifikation für Hawaii als Profi. Die Quali als Age-Grouper wäre ein klein wenig leichter (nicht falsch verstehen bitte… die Zeiten sind immens und über 9 Stunden brauchst du da nicht auf den Slot zu hoffen) aber das ist nicht das was ich will. Wenn ich dahinfliege, dann als einer der wenigen Profis die dort starten.
Der Weg geht nach vorne, nach oben – wenn auch nicht so geradlinig wie der Graph aus meiner abgeschriebenen Mathe-Abschlussarbeit von vor über zehn Jahren. Ich kann es immer wieder sagen, wie froh ich bin, dass ich mit Gerald einen Trainer habe, der die Erfahrung und das Know-How besitzt, jemanden auf diesem Weg erfolgreich zu begleiten und der weiß, wie eine Entwicklung auszusehen hat und wie man diese vorantreibt. Wir sind auf einem guten Weg und Kopenhagen wird die nächste (Zwischen)Station.
Wir leben aber (und damit nun zurück zu einigen dieser Nachrichten die ich bekommen habe) in Deutschland teilweise in einer „entweder du gewinnst oder du lässt es“ Welt. Schon mal aufgefallen? Im Ernst: Jogi Löw. 2014 quasi beliebtester Deutscher. 2021, derselbe Mann, der gleiche fußballtaktische Fuchs – aber es gibt eben plötzlich 80 Millionen bessere Bundestrainer weil der absolute Erfolg ausbleibt. Olympia – nehmen wir doch das Beispiel Triathlon; 2008 gewinnt Frodeno das Ding und ist (korrekterweise) ein Held, 2012 nach Platz 6 eine Randnotiz. Oder, bestes Beispiel: Jan Ulrich. 1997 Toursieger und gefeiert wie Franz Beckenbauer. In der Armstrong-Ära teilweise auf den Plätzen 2, 3 oder 4 als übergewichtig und unfit abgestempelt.
Schon mal drüber nachgedacht, dass es eine Weltklasse Leistung ist, überhaupt nach Paris zu kommen?
Auf mich projiziert will ich sagen: So etwas zu versuchen, kann klappen, kann auch schief gehen. Das gilt auch für ein Start-Up oder eine Firmengründung. Selbständig machen? Ne, was wenn der Laden nicht läuft und die Nachbarn sagen dann „hab ich doch eh gewusst!“.
USA mag das Land der unbegrenzten Möglichkeiten sein. Deutschland scheint manchmal wie das Land, in dem man lieber nichts riskiert, nichts in eine Richtung versucht, in der die Plausibilitätsprüfung nicht sofort auf grün geht.
Ich finde, es gar nicht zu versuchen, ist deutlich schlechter. Wer wagt, gewinnt. No risk, no fun. Wer es gar nicht erst versucht, ist schon gescheitert.
Und abschließend dazu: Ich habe schon oft gesagt, dass ich allen extrem dankbar bin, die mich auf dieser Reise unterstützen. Das gilt für die Partner und Sponsoren genauso wie für Trainer, Physios und Ärzte, Familie und einige wenige Freunde, die sich dafür interessieren und mittlerweile wissen, dass beim Triathlon zuerst geschwommen, dann geradelt und dann gelaufen wird. 😉 Aber genauso gilt das für die Leute, die mir auf Instagram folgen, die diesen Blog lesen, die mir hier und da eine Nachricht schreiben und die meinen Weg gut oder interessant finden. Bleibt dabei, es wird ganz sicher nicht langweilig(er). Diese Reise geht weiter und auch wenn noch nicht sicher ist, ob es dieses Jahr noch ein Rennen gibt (das entscheiden wir nach Kopenhagen) – der Prozess, die Entwicklung in die Richtung, in die ich gehen will, geht garantiert weiter.
So und jetzt aber zurück zu meinen Erwartungen für Kopenhagen!
Ich will ein gutes, solides Rennen abliefern bei dem ich am Ende sagen kann, dass ich alles an dem Tag gegeben und abgerufen habe, dass ich gelitten habe mehr als je zuvor und dass das die Zeit war, die aktuell auf der Langdistanz drin ist. An sich soll das auf alle Fälle eine Zeit von unter 9 Stunden werden, im guten Fall irgendwo bei 8.40h. Ich limitiere mich nicht, wenn ich sage, dass eine Zeit von unter 8.30 aktuell noch nicht drin ist, das ist einfach aktuell eine Tatsache.
Ironman ist Ironman… es kann bis zum Kilometer 40 beim Marathon am Ende noch alles passieren und ich habe deutlich mehr Respekt vor der Gesamtdistanz als vor jedem anderen Wettkampf den ich bisher gemacht habe.
Generell wird beim Rennen die Verpflegung eine entscheidende Rolle spielen und ich weiß, dass das der Schlüssel für mich sein wird, ob ich den Marathon bis zum Ende laufen kann in einer Pace die die 3 Stunden Marke nicht überschreiten lässt. Den neuen NewBalance Elite V2 habe ich gestern zum ersten Mal getestet und war begeistert von dem Laufgefühl. Denke, dass hier definitiv die ein oder andere Minute hinten raus drin ist damit.
Beim Schwimmen bin ich auf die Bedingungen echt gespannt und voller Vorfreude: Jeder schwärmt von Kopenhagen als großartige Schwimmstrecke. Ruhiges Meer aufgrund der Lagune, immer mit Neo. Nehmen wir das mal so hin und es gilt ja seit zwei Wochen: Schlimmer als die Müritz geht’s eh nicht.
Das Radfahren wird das entscheidende was die Gesamtzeit angeht. Ich möchte noch keine Prognose abgeben, bevor ich die Strecke in der Realität gesehen habe, aber 4.5h Stunden sollte das Maximum für mich sein und die Form auf dem Rad passt super.
Vom Equipment bin ich eingeschränkter als in Waren (da hatte ich zwei FFWD Laufradsätze dabei, vor allem wegen dem Wind interessant), aber ich habe mich nun recht fix für die Kombi aus Scheibenrad und 60mm Vorderrad entschieden. Die Prognosen beim Wind schwanken immer von 40-50kmh Böen bis zu nahezu windstill; Mit dem 60er Rad ist man da auf der sicheren Seite im Vergleich zum 90er Vorderrad. Schnell ist es deswegen auch noch.
Das sind meine Erwartungen, die ich an mich stelle und für die ich an dem Tag alles geben werde. Alle anderen Erwartungen, Meinungen und was da sonst noch von außen kommt werde ich die Tage definitiv ausblenden.
Gutes Training seit dem Müritztriathlon
Das Training in den letzten zwei Wochen lief gut, die Erholung nach dem Wettkampf schneller als zuerst angenommen. Am Montag danach ging es ja schon wieder los und es waren noch zwei qualitativ gute Wochen. Vor allem beim Schwimmen hatte ich das Gefühl, dass ich noch einmal einen kleinen Sprung machen konnte was die Zeiten angeht und bin jetzt insgesamt guter Dinge.
Die letzte Einheit gestern (eine letzte ernste Koppeleinheit, insgesamt 3 Stunden) lief nicht nach Plan: Nach zwei Stunden auf dem Rad wollte ich den Lauf komplett ohne Verpflegung angehen (ausnahmsweise keine Begleitung für mich) und merke wie bei über 30°C der Motor langsam aber sicher hinten raus „explodierte“. Ein gutes (?) Zeichen in zweierlei Hinsicht: Zum einen eine kleine und unschöne Erinnerung, dass die Wettkampfverpflegung eben so wichtig ist. Zum anderen; Wenn die Generalprobe nicht nach Plan läuft, dann klappt die Vorführung doch meistens perfekt. (Ich habe keine Ahnung von Theater und Co, aber sagt man doch so oder so ähnlich?).
Wie auch immer, noch ein paar eher ruhige Tage, dann geht’s Mittwoch nach Kopenhagen wo es dann Donnerstag, Freitag und Samstag auf die drei Strecken zum checken, zum Race Briefing und Bike-Check-in geht, bevor dann am Sonntag um 07.00 Uhr morgens der Startschuss fällt.
Wie bei Ironman gewöhnlich kann man jeden Athleten über die App tracken (ich habe die Nummer 25) und dieses mal wird es auch einen Livestream bei Facebook (Ironman Now) geben.
Wer also nichts vor hat, 22.08. man sieht sich.
Bis dahin – sportlich bleiben,
David