Post Race = Pre Race

Post Race = Pre Race

Ich habe im letzten Blog viel angekündigt, einige Erwartungen ins aktuell rechte Licht gerückt und gesagt, dass ich in Kopenhagen alles geben werde, was aktuell möglich ist.
Drei Tage nach dem Ironman kommt ein kurzer Bericht mit ein paar Zahlen, Daten und Erklärungen warum der Tag so war, wie er war.

Pre-Race

Kopenhagen ist definitiv eine Reise wert. Die Stadt ist absolut sehenswert und die Leute hier sind wahnsinnig freundlich, ohne sich dafür anstrengen zu müssen.
Die perfekte Metro Verbindung macht ein Auto überflüssig und erleichtert vieles in den Tagen vor dem Wettkampf, wo spazieren gehen die größte Sünde überhaupt ist.

Wir – das waren in dem Fall meine Frau, ihre Mutter und ich – sind Mittwoch angekommen und haben die Tage bis zum Rennen für das übliche „Pre-Race-geplänkel“ genutzt. Heißt also: Donnerstag viel Ausruhen, viel Essen, viel Ruhe und ein klein bisschen Training für mich. Freitag dann Schwimmstrecke testen und den Radkurs abfahren. Dafür gab es ein Car-Sharing Auto. Wer sich fragt ob man ein Zeitfahrrad und drei Leute mit ein klein wenig Gepäck in eine Renault Zoe rein bekommt: Es geht, irgendwie.

Samstag dann morgens das Pro Race Briefing und am späten Nachmittag Bike-Check-In am Strandbad.



Wechselzone: Die Ruhe vor dem Rennen.

Raceday

2.30 Uhr klingelte der Wecker für mich. Ich versuche vor Wettkämpfen immer ungefähr 3 Stunden zwischen Frühstück und Rennstart zu bekommen; In diesem Fall ein klein wenig mehr, da der Respekt vor Magenproblemen auf der Langdistanz doch ein wenig größer war, als vor einer Mitteldistanz.

In der Wechselzone um kurz vor 6 eingetroffen, war schon reges treiben und jeder war am werkeln an seinem Rad und versuchte möglichst kompetent und unaufgeregt zu wirken.

Meine größte (!) Sorge vor dem Rennen? Wen frage ich, ob er mir hilft, mein Scheibenrad aufzupumpen? (Man braucht einen kleinen Adapter, um 90° versetzt an das Ventil zu kommen und dazu braucht es zwei Personen. In die Wechselzone kommen am Morgen nur Athleten rein, außer du heißt Lionel Sanders und hast deinen Kameramann dabei).

Ich fragte einen „Ironman-Media-Menschen“, der keine Ahnung hatte was ich von ihm wollte, da hörte ich schon „Hey, no no… we`ll do it, come on, mate!“ . Cam Wurf (der spätere Sieger des Rennens, hatte sein Rad gegenüber von mir) half mir, ich tat anschließend selbiges bei seinem Hinterrad. Ich sagte ihm, dass er heute den Sieg holt, nachdem sein Hinterrad jetzt perfekt laufen würde 😉

Lustiger Moment und es zeigt halt auch, dass jeder noch so erfahrene Pro dann auch mit dem selber lauwarmen Wasser am Morgen vor dem Rennen kocht und dieselben kleinen Probleme hat.

Es folgte ein kurzes warmschwimmen im 18° kalten Meer, bevor es für die 36 Pro`s an den Start ging. Wer wissen will, wie ernst es Lionel Sanders in dem Moment mit dem Rennen nimmt, muss da vorne mit dabei stehen… der Blick den er seinen Kontrahenten vor dem Start gibt, lässt keine Zweifel zu. Auch da: Jeder ist dort gleich angespannt, viele fragen untereinander noch mal schnell nach der ersten Boje weil es vom Start einfach anders aussieht als zehn Meter daneben. Only human…


Schwimmen: Hier muss und wird viel passieren.

Schwimmen

Der Schwimmstart lief um Welten besser für mich als in Waren! Das ist der große positive Punkt zum Schwimmen (Ja! Es gibt einen!). Ich war die ersten ca 300 Meter in der Gruppe dabei, es war natürlich ein wahnsinnig schnelles anschwimmen und absolut nicht vergleichbar mit einem Age-Group Ironman (70.3) Start.

Der große und entscheidende Unterschied: Wenn du beim Age Group Start einen Vordermann verlierst, überholt dich garantiert einer und du hast die nächsten Beine. So zieht sich das durch und du schwimmst garantiert 3.8km irgendwie im Wasserschatten und kannst den Tick schneller schwimmen, als du eigentlich schwimmen kannst und bist einfach in dieser „Waschmaschine“ mit dabei.
Beim Profi Feld ist es eben so, dass nach dem letzten Mann nur noch Wasser kommt.

Ich weiß nicht, wie lange das Tempo noch so hoch war, gehe aber davon aus, dass es noch mindestens bis 600, 700 Meter so weiterging. Ich konnte es nicht halten und musste von dem Moment alleine Schwimmen. Da verliert man natürlich extrem: Zum einen kein Wasserschatten, keinen um dich rum für den Rhythmus. Zum anderen ist die Orientierung trotz Bojen nie wirklich leicht, so dass es alleine immer den ein oder anderen Meter extra geben wird.
Ich jammere da nicht drüber! Ich habe ja letztens gesagt: Ich will es schaffen, auf der Langdistanz als Profi erfolgreich zu sein. Da gehört ein solides Schwimmen in höchstens 55 Minuten dazu und das konnte ich nicht liefern. Punkt. Da gibt es auch keine Entschuldigungen oder Ausreden, da war ich einfach nicht gut genug.

Das ich am Ende noch die letzte Boje nicht mehr im Kopf hatte und fast abgekürzt hätte (Danke an das Kajak, dass mich darauf aufmerksam gemacht hatte bevor es zur Disqualifikation kam…), war die Krönung die noch einmal 3-4 Min gekostet haben könnte. Da ich im Wettkampf ohne Uhr schwimme, weiß ich es nicht genau. Ist auch egal: Ich muss an der Gruppe länger dranbleiben. Ich muss die hohe Intensität des Anschwimmens besser wegstecken. Wenn es nach 1000 Metern „ruhiger“ (1.30er Pace mit Neo in diesem ruhigen Meer hätte ich mir in der Gruppe zugetraut) wird, dann kann ich dranbleiben. Aber der Start darf mich nicht ausknocken, bevor das Rennen losgeht.
Trauriger Tag im Wasser, aber letztendlich wusste ich, dass der „last man out of the water“ an mir hängen bleiben könnte als ich das Starterfeld studiert hatte. Das es so ein großer Unterschied war, dass ich nach 300 Metern den Anschluss verloren hatte, das war einfach nicht okay, nicht geplant und ist auch nicht akzeptabel.
Besonders ärgert es mich auch, da ich mit Gerald einen Trainer habe, der beim Schwimmen so extrem viel weiß und mir so viel geben kann und ich es einfach noch nicht so umsetzen kann, wie ich gerne würde. Aber das kommt noch.


Radfahren: Es geht in die richtige Richtung, aber auch hier muss eine „4“ vor dem Schnitt stehen.

Radfahren

Das gute ist, wenn du auf so einen Tiefschlag mental vorbereitet bist, dann bleibst du ruhig und läufst nachher nicht buchstäblich Amok auf dem Fahrrad.
In der ersten Wechselzone war ich total verfroren (Mein Neo ist an den Armen eher sommerlich) und nutzte den Weg von Neo ausziehen bis zum Fahrrad als 500 Meter Vollsprint. Es half wenig – ich kam fast nicht aufs Rad. Die Hände konnten nicht greifen, kein Gefühl in den Füßen. Der Aufstieg aufs Rad war eigentlich das zweite Drama und spätestens da hätte der ein oder andere gesagt „lassen wir das heute einfach…“.
Als ich am Rollen war und meine Eisfüße in den Schuhen hatte, lief es auf dem Rad relativ gut. Ich hatte einen 40er Schnitt angepeilt und wollte in 4.30 die Strecke fahren. Entlang der Küste und auf dem Weg zurück lief es in Beiden Runden gut. Im anspruchsvolleren, kurvigeren Mittelstück mit schlechterem Straßenbelag habe ich hier und da leider zu viel verloren und musste zu harte Antritte gehen, um nicht zu viel Zeit zu verlieren.
Letztendlich weiß ich, dass ich auf dem Rad was liefern kann, aber hier muss ich beim Bike-handling, bei der Technik einfach noch besser werden. Aber das ist eine Sache, wo schon viel passiert ist und wo ich mir sicher bin, dass sie beim nächsten Wettkampf noch mal besser läuft.

Generell hatte ich – aufgrund der Unterkühlung – versucht schnell Kohlenhydrate zu bekommen und es wahrscheinlich in den ersten beiden Stunden ein wenig übertrieben.  
Bei Kilometer 150 hatte ich Krämpfe im linken Oberschenkel, die ich versucht hatte mit einer weiteren extra Portion carbs zu bekämpfen (das gelang so mittelmäßig) und die mich vor allem davon abgehalten haben, auf den letzten 30 Kilometern so richtig zu drücken. Das war ärgerlich, obwohl ich es einschätzen konnte und wusste, auf der Laufstrecke würden die Krämpfe im Oberschenkel höchsten auf den ersten 2-3 Kilometern zum Problem.
Ich schätze, (das war auch schon mein Gedanke auf dem Rad) dass ich mich auch beim Salz ein wenig vertan hatte und das hier ein paar Milligramm gefehlt haben, so dass der Körper die Kohlenhydrate nicht mehr gut aufnehmen konnte.

Das wusste ich davor: Wenn die Rennverpflegung nicht perfekt passt, dann kann das am Ende ein langer Tag werden.

Im Endeffekt war ich mit der Performance auf dem Rad – wie schon in Waren – relativ zufrieden. Hier geht es in die richtige Richtung und vieles passt schon gut. Der Hund liegt auch hier einfach beim Schwimmen begraben: Komme ich früher aus dem Wasser, bin ich in einer Gruppe mit 4,5,6 anderen Pro`s, dann ergibt sich eine ganz andere Renndynamik für mich und man kann – ohne Windschatten – als Gruppe besser und konstanter fahren.

Aber das ist, bzw war am Sonntag einfach Konjunktiv und ich musste das beste aus der Situation machen.


Laufen: Das nächste Mal ohne Magenprobleme bitte und kontant mit der Anfangspace

Laufen

In der T2 angekommen legte ich einen schnellen Wechsel hin, keine Krämpfe mehr und ich fühlte mich körperlich und mental super. Der nächste echt große positive Punkt, der auch zeigt, dass das Training einfach in die richtige Richtung geht.

Ich hatte eine kurze Rechnung im Kopf: 5 Stunden und 40 Minuten ungefähr… das heißt grob 3 Stunden für den Marathon und mein Ziel von roundabout  8.40h ist noch greifbar.

Ich hatte mich sofort beim loslaufen gebremst um nie unter einer 4er Pace zu Laufen, weil ich wusste, dass das dieses Jahr für den Marathon noch utopisch wäre. Wir hatten eine Pace von ungefähr 4.15 geplant und es fühlte sich auf den ersten 6-7 Kilometern locker wie eine Waldrunde mit Emmy an und die Pace war fast wie mit Tempomat bei 4.15, 4.16, 4.13… es lief. Dachte ich. Ich merkte aber schon bei Kilometer 2, wie der erste Schluck Wasser sofort Probleme machte. Meine „Special Needs“ (Eigene Getränke, die dann auf der Laufstrecke im Beutel nach Startnummern sortiert bereit liegen oder ausgehändigt werden) hatte ich sofort genommen und meine Mischung aus Kohlenhydraten und Salzwasser probiert – leider auch hier ohne Wirkung oder Besserung.

Seit 2018 hatte ich keine Probleme mehr gehabt, was Magen-Darm angeht beim Laufen. Ich wusste, dass die einzige Lösung der unbeliebteste Toiletten-Stopp ever sein würde und so dachte ich, ich nutze die Gelegenheit nach ca 12 Kilometern, bevor die Strecke (und Dixis) von Athleten überflutet sein würden.

Ich nenne keine Details, aber jede Autobahnraststätte, jedes Bahnhofs-WC, jede Disco um 4.50 Uhr früh…. Alles wäre besser gewesen als das. Aber es gibt Momente da hast du keine andere Wahl.
Ich konnte anschließend Laufen, ohne das jeder Schritt, jede Erschütterung meinen Bauch wahnsinnig gemacht hätte. Aber: Ich konnte immer noch nichts zuführen. Ein Schluck, ein Gel… ich merkte sofort, wie der Magen rebellierte.

Ich lief also den kompletten Marathon mit insgesamt 25g Kohlenhydraten und ca 0.4 l Wasser…. Grundlagentempo (4.45-4.50er Pace) war angesagt aber natürlich mit vermehrter Ermüdung nach dem langen Tag auch hinten raus unmöglich zu halten.
Auf den letzten 4 Kilometern hörte der Körper einfach auf zu funktionieren. Logisch, klar. Die Atmung ging nicht mehr tiefer als bei einem Asthmatiker, überall am Körper Krämpfe aufgrund der Dehydrierung – es war ein Kampf und ich gebe ehrlich zu: Viel länger hätte das ganze nicht gehen dürfen.


You`re an Ironman

Unter diesen Umständen mit 9.20h ins Ziel zu kommen… bei der ersten Langdistanz, nach einem eher katastrophalen Schwimmen… nach einem Marathon im Schneckentempo… das muss ich zum einen eh akzeptieren und zum anderen muss ich damit auch halbwegs zufrieden sein. Wichtig war und ist mir, dass ich weiß, warum das ganze passiert ist. Ich suche nicht nach Ausreden für einen schlechten Marathon, aber zu wissen, dass es mit der Ernährung nicht hingehauen hat, ist zumindest eine Sache, an der ich ansetzen kann.

Fazit

Der erste Ironman ist geschafft. Der erste Wettkampf im Profi Feld damit ebenfalls. Ich bin bei den Profis auf Platz 29 gekommen, von 31 die ins Ziel gekommen sind (35 waren gestartet).

Ich hatte im letzten Blog geschrieben, dass ich mich langfristig gesehen für Hawaii qualifizieren will und dass der Weg dahin natürlich extrem schwer wird. Man schaut sich mal Lukasz Woijt an – einen absoluten Weltklasse Athleten, der es (wieder / noch) nicht geschafft hat.
Es bleibt mein Ziel.

Dazu sei gesagt: Wenn ich als Age-Grouper gestartet wäre, hätte ich mit meiner Zeit von 9.20 den 11. Platz belegt und das Hawaii Ticket gelöst. Das musste ich noch hinzufügen, nachdem ich ja letztens gemeint hatte, es wäre „einfacher“.

Wie geht es weiter

Ich werde mir keine lange Pause gönnen:
Am 05.09. steht die Challenge Roth an. Für mich aber dieses mal nur der Teil als Radfahrer, da ich in der Staffel „Vallox Tri Team“ mit meinen ehemaligen Kollegen Thorsten und Thomas starte.

Das heißt ich werde mir diese Woche die Strecke anschauen und dann einfach mal sehen, was die Beine bis dahin zu 180 Kilometer Radfahren sagen.

Danach plane ich noch ein weiteres Rennen für das Jahr. Hier werde ich in Kürze eine Entscheidung treffen und dann bekannt geben, wo es weiter geht.

Bis dahin steht der Heimflug an (geplant war eine Zugfahrt, aber die Bahn wollte mein Fahrrad nicht mehr mitnehmen) und endlich die erste Covid Impfung!

An dieser Stelle noch einmal ein ganz großes Dankeschön an alle, die mich in irgendeiner Form am Sonntag verfolgt hatten und den Ironman geschaut haben. Es bedeutet wirklich viel, wenn man weiß, dass da Leute draußen sind, die sich dafür interessieren und es macht mich stolz, wenn ich den einen oder anderen für diese Sportart begeistern kann.

Ein Ironman ist ein faszinierendes Erlebnis – für Sportler und Zuschauer. Ich glaube, es ist mit das absolut höchste, was man seinem Körper zumuten kann. Das absolute körperliche Limit. Das, was irgendwie unmöglich scheint, möglich machen. Durchhalten, bevor das ganze System zusammenbricht.

David, you`re an Ironman. (Just not a very good one (yet)).

Bis zum nächsten 😉

Bleibt gesund und sportlich,

David

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