Trainingswochen
Als ich vor einer Weile mal „in die Runde“ gefragt hatte, welche Blog-Themen für den Blog-Leser oder die Blog-Leserin interessant wären, kam eine Antwort am häufigsten:
Der Unterschied zwischen Training heute (Profi) und früher (Age-Grouper mit 40 Stunden Vollzeitbeschäftigung).
Ich will heute hierzu ein wenig Licht ins Dunkel bringen und meine Erfahrungen teilen.
Mit und ohne Trainer 2018 und 2019:
2018 trainierte ich ohne Trainer, beende meine ersten Ironman 70.3 Wettkämpfe und fand einfach Spaß im Triathlon. Ich befasste mich natürlich mit der Thematik „Trainingssteuerung“ aber das Gganze lief doch sehr sporadisch, spontan und unstrukturiert.
Die Arbeit diktierte die Woche und die freien Zeiten wurden mehr oder weniger sinnvoll mit Laufen, Schwimmen und Radfahren gefüllt.
Das ich mal für 750 Meter ins Schwimmbad gefahren bin, darüber musste ich selber lachen heute.
Aber generell habe ich hier mit einem Pensum von etwa 6-10 Stunden trainiert und sicherlich auch den ein oder anderen Fortschritt gemacht.
Rückblicken hatte ich mich beim durchstöbern der alten Trainingswochen aber schon auch gefragt, wie ich damals einen 70.3 in gar nicht mal sooo schlechten 5.40h beenden konnte!
2019 dann arbeitete ich mit meinem ersten Trainer zusammen und machte durch Struktur, erhöhte Umfänge und gezieltere Einheiten sehr schnell Fortschritte.
Mein Ziel damals einen 70.3 unter 5 Stunden zu beenden, gelang mir in Cervia (4.44) und in Regensburg erreichte ich mit knapp über 4 Stunden eine für das damalige Niveau durchaus gelungen Zeit bei einer Mitteldistanz.
Mitte – Ende 2019 fühlte sich alles sehr, sehr anders an als 2018. Der Fokus wanderte damals mehr und mehr Richtung (Leistungs-)Sport. Der Profi-Gedanke war geboren. Die Einheiten wurden sehr akribisch vor- und nachbereitet, die Ernährung wurde immer spezifischer und Ende 2019 war Triathlon dann definitiv die Prio 1, speziell als es auf den Wettkampf in Cervia zuging.
2019 trainierte ich meistens zwischen 10 und 15 Stunden die Woche. Für 750 Meter war ich nicht mehr im Becken, dort waren die Einheiten dann immerhin zwischen 2 und 3 Kilometern.
Was beide Jahre aber dennoch gemeinsam haben:
Es war klassischer (wenn auch zuletzt ambitionierter) Hobbysport. Klar arbeitete ich auf Ziele hin, wollte Fortschritte sehen, leidete im Training und ging auch hier und da mal über Schmerzgrenzen.
Aber grundsätzlich mit einem ganz anderen Druck und einer ganz anderen Erwartungshaltung an mich selbst.
2020 und 2021 – Profi Jahre
2020 startete ich mit meinem Profi-Projekt und wollte natürlich sofort mit einer Full-Time-Trainingswoche loslegen. Teilweise funktionierte das, teilweise auch weniger. Mein Training schwankte stark zwischen teils 28 Stunden pro Woche und 15 Stunden. Eine wirklich konkrete Struktur zwischen Belastung und Erholung bin ich damals nicht konsequent genug gefahren und baute an ruhigeren Tagen hier und da auch ungeplante Einheiten ein, aus Angst „zu wenig“ zu machen.
Spätestens im Mai 2020 als ich mit Stressfraktur für lange Zeit pausieren musste, wurde selbst dem optimistischsten und naivsten Triathleten (evtl. ich selbst?) klar, dass ein Haus auf einem Fundament stehen muss und man nicht mit dem Dachdecken anfangen sollte.
Als Ende 2020 Gerald Dygryn meine Betreuung übernahm, änderte sich die Struktur grundlegend:
Die Woche hatte eine feste Struktur. Es gab Zyklen der Belastung und Wochen der Entlastung. Es gab in den Belastungswochen Tage, an denen zwar trainiert wurde, jedoch weniger und/oder mit weniger Augenmerk auf z.B. Ausdauer.
Alles in allem eine fast schon stupide, langweile Struktur aber effizient, planbar, messbar, vergleichbar und langfristig die Basis für nachhaltigen Fortschritt.
Training heute – Train. Eat. Sleep. Repeat.
Wie jedem bekannt ist, war auch letztes Jahr von einer längeren Trainingsunterbrechung – speziell beim Laufen – im Frühjahr geprägt. Dennoch haben wir es geschafft, drei Wettkämpfe zu absolvieren und zwei mal davon den Ironman zu finishen. Das die Wettkämpfe noch alles andere als nach Plan liefen, ist auch bekannt und das hat immer mehrere Gründe, die nicht alleine auf dem Training beruhen.
Aber: Ich habe die Basis für nachhaltigen Fortschritt angesprochen. Und die haben wir definitiv gelegt!
Wie oft habe ich mir leise gedacht „Warum lässt er mich keine 90 Kilometer laufen?“, „Warum keine 5 Kilometer im Wasser“, „Warum wieder nur 20 Stunden diese Woche?“.
Ganz einfach: Weil der Anpassungsprozess an so ein Trainingsprogramm mental und körperlich Jahre dauert, eh man es wirklich durchstehen kann.
Ich bin nach meiner dreiwöchigen Pause nach dem Ironman Klagenfurt wieder ins Training eingestiegen und wir haben relativ schnell ein kontinuierliches Wochenpensum von 26-30 Stunden erreicht.
Jetzt habe ich endlich Wochen mit 90, 95, sogar 100 Kilometer Laufen und 20 Kilometer Schwimmen und kann trotzdem am Samstag und Sonntag noch qualitativ trainieren.
Jetzt, nach 2 Jahren totalem Fokus auf den Sport, bin ich so weit, mich wirklich darauf zu konzentrieren und meine Woche voll mit Training zu füllen. Kontinuierlich, mit Konstanz und Qualität.
Unterschiede früher zu heute
Aber zurück zur Frage, die die Unterschiede betreffen.
Das angesprochene Volumen ist das Eine. Klar, ich habe auch mehr Zeit zur Verfügung als früher – was ja mein Plan war.
Eine andere Sache ist die Intensität: Wenn ich heute auf Trainingseinheiten schaue, dann gibt es sehr selten Einheiten, die nicht an irgendeiner Stelle mal „wehtun“ oder mich an ein Limit führen sollen.
Eine Einheit mit Intervallen hat damals wehgetan und das tut sich auch heute.
Hier gibt es aber auch jede Menge Unterschiede zu den früheren Jahren:
Anzahl und Intensität: Wo ich damals ein paar mal 400 Meter gelaufen bin, sind es heute gerne mal 8,9 Intervalle über einen Kilometer. Die Pace war damals verhältnismäßig natürlich auch „schnell“, aber ab einem bestimmten Niveau ist das steigern eine größere Herausforderung.
Soll heißen: Damals waren Fortschritte noch leichter zu realisieren, als heute. Trotz mehr Zeit, trotz voller Woche nur Training.
Mentaler Druck: Wenn ich früher aus der Arbeit gekommen bin, waren Trainingseinheiten das Ventil und die willkommene Abwechslung zum Alltag.
Heute liegt der Fokus auf dem Training. Und es „muss“ funktionieren. Ich habe die Vergleichbarkeit oben angesprochen: Natürlich willst du, wenn es vor 2 Monaten geklappt hat, Intervalle bei einer Pace von 3.10 zu laufen, die heute schneller oder mindestens genauso laufen.
Die Vergleichbarkeit mit anderen Athleten ist noch ein weiteres Stichwort: Man sollte sich auf sein eigenes Training konzentrieren und nicht dauernd schauen, was andere Athleten machen. Dennoch ist gerade im Zeitalter von Social Media und Strava (ich poste bei beiden fast nie Trainingsdaten) die Vergleichbarkeit nahezu automatisch gegeben. Ich versuche zu selektieren, versuche nicht zu oft auf irgendwelche Werte zu schauen und mich auch nie verrückt machen zu lassen dabei. Am Ende (das habe ich selber bei mir ja auch schon zu Genüge erlebt) zählt der Tag X und dann kannst du dir weder von schnellen Trainingszeiten, noch von irgendwelchen Monster-Einheiten etwas kaufen.
Lange Einheiten waren früher oft einfach sehr locker. Das sind sie heute auch noch, aber dann halt teils auch mit einem besonderen Reiz (z.B. 2 Stunden Nüchternlauf) oder Ermüdung (z.B. 5 Stunden Radfahren am Ende einer Trainingswoche).
Letztendlich geht es einfach darum, immer wieder einen neuen Reiz zu setzen und den schmalen Grat zwischen „zu viel“ und „zu wenig“ zu gehen.
Das ist ein weiterer Unterschied: Wenn es früher (zu sehr) wehgetan hat, habe ich eine Einheit ausfallen lassen. Heute probiere ich es in den allermeisten Fällen zumindest und hoffe, dass ein sehr schmerzhafter Punkt eben nur muskulär bedingt ist und noch „aufgeht“ oder das es einfach der Ermüdung geschuldet ist und die Bewegung helfen wird.
Die Fähigkeit, die ich mittlerweile zum Glück habe (behaupte ich mal) ist, dass ich den ganz schlechten Schmerz, den eine (sich anbahnende) Verletzung mit sich bringt von anderem Schmerz unterscheiden kann und dann mittlerweile richtig agiere und zur Not auch eine kurze Pause einlege, um eine lange Pause zu umgehen.
Letztendlich ist aber der größte Hauptunterschied einfach der, dass es sich bei mir heutzutage nicht mehr um ein „kann“ sondern ein „muss“ handelt. Ich muss trainieren. Egal wie ich mich fühle (grundsätzlich gesehen) und es ist die absolute Ausnahme, wenn ich eine Trainingseinheit abbreche oder nicht starte.
Ich habe auch 2019 schon sehr zielstrebig und ambitioniert trainiert, bin auch damals schon durch oder über gewisse Grenzen gegangen, aber da war es eben immer noch so, dass ein Fortschritt, eine positive Entwicklung toll war aber nicht „Pflicht“.
Noch vier Wochen, bis es ins Trainingslager nach Fuerteventura geht. Ich hoffe, dass ich dort einen weiteren wichtigen Schritt machen kann und dann bald bereit für das erste Rennen dieses Jahr bin!
Ein gutes, gesundes neues Jahr,
David