
Almere: Wenig Brutto. Viel Netto.
Es waren zwei Tage nach Kopenhagen, als ich mich kurzfristig entschied, noch bei der Challenge Almere zu starten.
Da es sich um die World Triathlon Europameisterschaft handelte, musste das noch mit der DTU geklärt werden und ich musste mir kurzfristig einen DTU-/Deutschland-Trisuit ordern, der dann noch mit meinem Namen bedruckt werden musste. Organisatorsch etwas mehr Aufwand als sonst, aber hat alles geklappt.
Das alles lief parallel zu einem letzten, kurzen Langdistanz-Trainingsblock.
Radposition und Laufschuhe
Der Hauptfokus nach Kopenhagen lag auf der Radposition. Nach Krämpfen in den Oberschenkeln in Turku und nach dem kraftlosen Gefühl in Kopenhagen nahm ich kleine Änderungen vor – in der Erwartung, besser und länger meine Watt treten zu können.
Gleichzeitig verlegte ich – nachdem ich in Finnland ja nur draußen trainieren konnte – den Großteil meiner Trainingseinheiten nach drinnen, um den vollen Fokus auf die Watt legen zu können, ohne die üblichen Reibereien mit Verkehr und Topografie.
Die Änderungen an der Position (vorne 1,5 cm weiter hoch) fühlten sich gut an und ich hatte zumindest das Gefühl, dass die Beine das länger halten können. 4,5 Stunden, davon 4 Stunden konsequent in Aero-Position indoor, sind körperlich hart – mental die Härte. Aber auch das lief gut!
Anschließend 18 km in 3:55 min/km laufen war auch fast schon entspannt – wenn auch natürlich „nur“ 18 km.
Beim Laufen selbst hatte ich noch einmal die Schuhe gewechselt: Nach der Verletzung hatte ich auf meine bewährten Marathon-Schuhe (Nike Vaporfly) verzichtet und mich für den etwas stabileren und gemütlicheren Hoka Rocket 2 bzw. 3 entschieden. Den Hoka kann ich auch sehr schnell laufen, aber ich hatte das Gefühl, dass ein paar wenige Prozente aufgrund der höheren Dämpfung verloren gingen.
Der Vergleich vor Almere ließ mich dann wieder zum Vaporfly zurückkehren – wenn auch mit zuerst starken muskulären Beschwerden in den Waden, da die Beine diesen Schuh nicht mehr gewohnt waren.
Einen langen 30-km-Lauf in 2 Stunden gab es noch in diesen Schuhen. Fazit: Der Vaporfly ist für mich einen Tick schneller/effizienter, aber ich würde den Hoka jederzeit wieder verwenden – speziell im Aufbau, um einfach großes Volumen bei sehr flottem Tempo zu laufen, ohne am nächsten Tag etwas zu spüren!
(Keine Werbung übrigens. Ich kaufe alle Schuhe zum vollen Preis von der Hersteller-Website. Mach das auch. Ein Vaporfly oder ein Hoka Rocket für 80 € über eine noch so seriöse Website ist ein anderer Schuh. Meine Erfahrung … stell ihn mal auf die Waage 😉)
Das Schwimmen lief im Training weiter solide und auch wenn die erste Trainingswoche nach Kopenhagen etwas rostig war, hatte ich das Gefühl, in sehr guter Verfassung nach Almere zu fahren – auch insgesamt.

Besser Materialärger als körperlicher Ärger
Dass ich am Raceday in Almere nun einige Probleme hatte, hast du wahrscheinlich mittlerweile mitbekommen.
Deshalb fasse ich das hier nur kurz zusammen – so kurz es mit dieser langen Liste eben geht:
- Freitag, 1 Tag vor dem Rennen: Beine wie Wackelpudding, Schwindelgefühl, Fieber und das sichere Gefühl, nicht starten zu können. 2 Ibuprofen später und mit ein wenig Adrenalin am Morgen war das Gefühl zu „okay, lass es zumindest probieren“ gewechselt.
- Vor dem Schwimmstart: Meinen Beutel mit den Klamotten für nach dem Rennen habe ich zu früh abgegeben. Ich war (zum ersten Mal!) komplett alleine bei einem Rennen – das war vorher teils sehr angenehm und erholsam, gleichzeitig war es am sehr kalten Rennmorgen dann etwas tricky. Mein Aufwärmversuch im Restaurant, bereits im Neoprenanzug, half nur noch bedingt. Zu sehr durchgefroren für einen schnellen Pro-Start. Ich brauchte beim Schwimmen die ersten 10 Minuten, um irgendwie reinzukommen – dafür war die Schwimmzeit (58 min) noch in Ordnung, aber es wäre mehr drin gewesen!
- Vor dem Schwimmstart II: Neo am Oberschenkel eingerissen. Ein daumengroßes Loch – ärgerlich und für die Performance kontraproduktiv.
- Wechselzone 1: Mein Reißverschluss am extra neu gekauften Anzug reißt weg. Das Reglement ist klar kommuniziert und ich durfte mit offenem Anzug nicht fahren.
Bis das Medical Team Sicherheitsnadeln organisiert hatte und mich die Schiedsrichter endlich auf die Strecke ließen, waren alle um mich herum weg und ich wusste, dass die gute Renndynamik erstmal verloren war.
Aber so kommt man auch – trotz nie an der Spitze des Rennens – zu exklusiver Fernsehzeit 😉 - Auf der ersten Kopfsteinpflasterpassage verlor ich meine hintere Flasche. Damit kalkuliert man ja fast schon! Womit ich nicht kalkuliert hatte: Der Schlauch meiner Trinkblase, die im Rahmen montiert war, hat sich auf dieser Passage gelöst. Somit waren meine 0,7 l unberührt im Rahmen und ich konnte davon nichts trinken. 50 % meiner Versorgung auf dem Rad eingebüßt. Statt 130–140 g Kohlenhydrate pro Stunde hatte ich nur ca. 50 g/h. Zu wenig, um die Leistung zu halten. Die Watt haben gepasst, bis eben die Energie nachließ – dieses Mal logisch. Ich denke, dass die neue Position so gut passt, dass es für eine gute Radzeit hätte reichen können.
- Zum Thema gute Radzeit: 4x ist mir die Kette runtergefallen, 3x davon bei über 50 km/h. Warum? Ich ließ mein Rad vorher auf 1-fach (also vorne nur ein Kettenblatt, ohne Umwerfer) umrüsten. Anscheinend hätte man hier noch etwas beachten müssen, was das Kettenblatt angeht. Wusste ich nicht. Egal ob mein Fehler oder der des Mechanikers – es wäre vermeidbar gewesen und hat 3–4 Minuten gekostet, wenn nicht mehr.
- Beim Laufen angekommen, hatte ich in der Wechselzone eine Flasche positioniert, die für die erste Runde reichen würde, und einige Gels, die ich (natürlich nun nicht mehr so wirklich!) im Anzug verstauen konnte (weil der Anzug vorne nicht zu war).
Die 0,5 l mit 80 g Kohlenhydraten, Ketone IQ und Koffein taten unfassbar gut. Eine regelmäßig im Training getestete Mischung, die mir jedes Mal gute Laune und gute Beine verschafft.
So lief ich die ersten 9–10 km wirklich entspannt vom Gefühl her in 3:50–3:55 min/km – wohl wissend, dass ich ja 3 Flaschen bei den „Special Needs“ abgegeben hatte, die mich weiter mit Energie versorgen würden.
Leider weiß ich bis heute nicht, wo die Special Needs waren! Das kam noch nie vor, dass ich diese Stelle nicht gefunden habe. Besonders da ich niemanden an der Strecke hatte und auf dem Rad schon so viel ins Defizit gehen musste, wäre das entscheidend gewesen.
Dementsprechend griff ich notdürftig zu den PowerBar-Gels von der Aid-Station – und wusste aber eigentlich, dass das nicht gut gehen würde.
Kurze Zeit später meldeten sich die meisten für die Verdauung zuständigen Organe und ich musste bei Kilometer 19 einen Dixie-Stop einlegen. Ich war auf Kurs für Halbmarathon 1:22 h – eine top Ausgangssituation.
Eh ich meine Sicherheitsnadeln auf- und wieder zugemacht hatte, waren 4 Minuten verloren und ich war bitter unterkühlt.
Der Marathon war ab hier ein Cool-Down-Lauf – im wahrsten Sinne.

Fazit und Ausblick
Ich weiß sehr wohl, dass Glück und „Bad Luck“ auch mit Können und Nicht-Können zusammenhängen und dass die Besten weniger von diesem ganzen Quatsch erleben oder eben noch mehr draus machen können.
Ich hatte sehr lange an dem Tag gute Miene zum bösen Spiel gemacht und versucht, mit bester Laune weiterzumachen und immer nach vorne zu schauen.
Erst als der Lauf dann mit der Nutrition so verhauen war, hatte mich irgendwann das letzte Stück Motivation verlassen. Und zugegeben: Wenn du 4 Stunden lang komplett unterversorgt und unterkühlt unterwegs bist, ist irgendwann keine große Leistung mehr drin.
Natürlich ist ein Finish besser als kein Finish – mental und auch, was PTO-Punkte angeht.
Und natürlich ist eine Zeit von 8:50 an so einem räudigen Tag irgendwie auch viel wert, wenn man bedenkt, dass ich alleine gut 15 Minuten reine „Standzeit“ hatte.
An einem sehr gebrauchten Tag eine immer noch solide Zeit ins Ziel zu bringen, ist grundsätzlich auch viel wert.
Jetzt gilt es, dann auch mal einen normalen Tag zu haben: ohne gebrochenen Sattel (Finnland), ohne Flaschenhalter, der während der Fahrt verloren geht (Kopenhagen), und ohne die ganzen Themen aus Almere.
Die körperliche Verfassung lässt mehr zu – das ist mir ehrlich gesagt deutlich lieber als andersherum.
Und es sind viele Probleme, aber gleichzeitig schöne Probleme.
Wenn du wegen einem Rückenproblem rausgehst, fährst du mit deutlich mehr Fragezeichen nach Hause.
Bei mir sind es alles Dinge, die zu beheben sind – wenngleich eben auch dafür der Wettkampfmodus und Rhythmus absolut nötig war und ist!
Vielleicht ist es dir aufgefallen:
Ich habe kein Wort über die harten Bedingungen oder über irgendwelche körperlichen Dinge verloren. Klar war das Wasser am Morgen kalt und die Schwimmbedingungen nicht leicht mit den Wellen und den Age-Groupern in Runde 2, mit denen man kollidierte – blendende Sonne inklusive.
Klar war der 50-km/h-Wind teilweise hart und auch nicht ungefährlich.
Und natürlich war der Hagel-/Regenschauer auf der Laufstrecke so, dass du da deinen Hund nicht vor die Tür schicken würdest.
Dass am Ende alles wehtut, die hintere Kette zumacht und das rechte Sprunggelenk komplett bewegungsresistent war – auch in Ordnung.
Erwähnt? Jetzt ja. Ist aber für alle gleich und völlig okay.
Bedingungen sind, wie sie sind. Der Wind ist, wie er ist – alles gehört dazu.
Meine oben genannten Punkte sollten in der Fülle aber nicht dazugehören.
Jetzt bin ich seit einer Woche am Regenerieren, und das klappt so lala. Irgendwie war ich doch kränklich im Wettkampf und das hat sich die Tage danach durchgezogen.
Tägliche leichte Besserung, viel Coaching und Planungsthemen um die Ohren und tatsächlich noch einen Wettkampf im Auge, den ich im Oktober angehe – vorausgesetzt, ich kann nächste Woche wieder mehr oder weniger voll ins Training einsteigen.
Danke fürs Lesen!
Einer geht noch dieses Jahr, dann ist Off-Season (3 Wochen) und danach Zeit für den besten sportlichen Winter, den es je gab. Stay tuned.
Sportlichste Grüße
David