Lesedauer: Unter 9 Stunden.

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Der Ironman Kopenhagen, mein Comeback auf der Langdistanz, ist erledigt.
Ich weiß noch, wie die Liste mit den Profi Rennen herauskam und ich unbedingt dieses Rennen starten wollte, da ich aus 2021 so viele gute und schreckliche Erinnerungen daran hatte. 

Woche für Woche rückte dieses Ziel – nur der Start – weiter weg. 


Im April erneut eine komplette Laufpause und selbst die Optimisten unter „meinen“ Medizinern gaben die Empfehlung heraus, lieber auf 2026 zu warten, da das Training für eine Langdistanz nun mal enorm fordernd ist.

Das ich letztendlich doch starten (und finishen) konnte, dafür könnte und müsste ich nun vielen Leuten danken, die mir dabei geholfen haben.
Aber im Endeffekt, gilt der Dank nur einer Person: Mir selbst.

Ich habe dran geglaubt, auch in den schwierigen Zeiten, als nichts ging. 
Ich habe für eine vollständige Lösung der Verletzung alles getan und immens viel investiert.
Ich bin nie in eine Panik verfallen, da ich immer das Gefühl hatte, sobald es orthopädisch wieder möglich wäre zu laufen, es gut gehen würde.
Anstelle die Ausfahrt zu nehmen und den Triathlon, den Leistungssport, an den Nagel zu hängen, habe ich die andere Spur genommen und bin wieder zurückgekommen.
Das war nicht selbstverständlich und nicht immer leicht. Auch wenn’s nur Sport is
t.


Trainingslager in Finnland 

Seit der Challenge Turku lief das Training gut. Ich habe zwei, drei Tage gebraucht, eh ich wieder in einen Rhythmus gekommen bin und die unbekannte Trainingslocation war fordernd und fördernd zugleich.

Beim Schwimmen im Freiwasser sehr schwierige Bedingungen gefunden, bei denen ich (bedingt durch Strömung) öfters mal nur eine 1:45 auf der Uhr gefunden hatte.

Beim Radfahren ebenfalls überraschend oftmals 1000 Höhenmeter auf 100 Kilometer vorgefunden, was ich in Finnland nicht erwartet hätte.

Laufen geht eh überall irgendwie und die top Laufbahn in Turku war sicherlich noch ein Highlight.

Wettermäßig hatte ich hier zwei Wochen lang bessere Bedingungen als ich sie in Deutschland gehabt hätte – eines der Dinge, vor denen ich am meisten Respekt hatte, da ich keine Möglichkeit zum Indoor Radfahren gehabt hätte. 

Alles in allem konnte ich noch mal ein paar gute Reize setzen und speziell das letzte Wochenende vor Kopenhagen mit einem 6.5 Stunden-Tag (5:15h Rad und anschließender Koppellauf) und einen 30km Lauf am Sonntag (und Schwimmen) stimmten mich sehr positiv.


Nach der letzten Einheit vor dem Flug von Finnland nach Dänemark.



Kopenhagen 

Unsere Unterkunft in Kopenhagen war – vorsichtig ausgedrückt – nicht ideal für einen Ironman. Meine Schlafqualität und Dauer die drei Tage vor dem Wettkampf waren miserabel und ich zählte fast schon die Stunden, eh es endlich Sonntag 3:50 Morgen war und der Wecker das letzte Mal klingeln würde. 

Ich will da nicht jammern; Die 4 Wochen waren schön und es ist eine tolle Sache, das mit der Family gemeinsam zu machen. Vor dem Ironman hätte ich (sehr) viel tiefer in die Tasche greifen und mir ein separates Zimmer holen sollen oder zumindest eine Unterkunft mit einer minimalen Rückzugsmöglichkeit. Kopenhagen ist (und es ist Ironman-Zeit noch dazu!) extrem teuer, was Unterkünfte angeht. Schlafsäle mit 5 Betten und Dusche auf dem Gang – kein Problem, bekommt man schon für 150 Euro pro Nacht!

Ich hatte aber festgestellt: Du musst in eine gewisse Grund-Aggressivität kommen. Das beißt sich mit einem Kleinkind was lachend (oder weinend) um dich herumspringt.


Annalena zudem war seit dem Reisetag aus Finnland krank und schleppte sich mit Ibuprofen durch. 
Selbst als ich am Samstag vor dem Rennstart nach einem (für mich selbst) Fieberthermometer fragte, erzählte sie mir nicht, wie schlecht es ihr ging – wissend, dass es mental neben der Schlafsituation ein 0:2 wäre, mit dem ich ins Rennen gehen würde. 

Glücklicherweise ging der Kelch des Krankseins an mir vorüber. Meine etwas kränklichen Gefühle vom Samstag hinterfrage ich nicht weiter an der Stelle.


Training lief besser als das Rennen, was das Radfahren angeht. Ich werde ein paar Änderungen an der Postion vornehmen!
Foto by Matze, ergo-und-physio-raum.at

Letzte Vorbereitungen


Mit Matze (als Physio Betreuung dabei, aber er war einfach eine komplett-Betreuung – danke!) war ich Freitags noch unterwegs; 

Einmal die gesamte Schwimmstrecke abgeschwommen, locker Zone 2 und das immerhin in 58 Minuten. Da wusste ich, es ist ein gutes Schwimmen drin! 

Die Radstrecke teilweise angeschaut und ein kurzer Lauf im Anschluss. Körper hat sich ready angefühlt! Trotz einiger suboptimalen Signale. 

Kleiner Fehler hier: ich hätte Samstag das restliche Stück der Radstrecke noch anschauen sollen. Es war zu technisch, um es beim ersten Mal sofort schnell fahren zu können. Hier war ich etwas zu selbstsicher. 

Samstag bis Mittag war alles erledigt. Nochmal ein kurzer Lauf, Rad abgegeben und Essen, ausruhen, mental vorbereiten. 

Raceday 

3:50 klingelte nach einer horrenden Nacht mein Wecker. Ich startete mit viel Kaffee dem typischen Milchreis-Frühstück.

Müdigkeit wandelte sich in diese leicht zitternde Gefühl von zu viel Koffein – genau richtig, um das Haus zu verlassen.

Als ich die Tür schloss und in mein Uber einstieg, stellte ich gedanklich die Uhren auf 0: „Jetzt sind alle wieder gleich. Egal ob 5 Sterne Hotel oder 6-Bett-Zimmer – jetzt geht’s zum Race und ich bin ready.“ Da war sie wieder, die gute Mentalität, lang erprobt und oft im Training abgerufen. Zumindest am Rennmorgen!

Ich hatte eine gute Portion Nervosität, aber nicht mehr diese lähmende beinahe Angst, die ich vor Hof und Turku gespürt hatte. Diese kleine Portion Routine kommt also wieder und dieses Gefühl „kannst du das überhaupt noch?“ hat sich wieder in „jetzt machst du das, was du kannst!“ gewandelt. Ein gutes Zeichen!

Rad fertig machen, Warm-Up und einschwimmen – alles lief, wie es laufen soll.

Ich stand in der Start Area immer noch von Matze begleitet, der die richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt sagte und bis zum Schluss mit gezückter Carb-Flasche neben mir stand. Weltklasse Support!

Als wir endlich aufgerufen wurden, uns an die Startlinie einzufinden, war der Fokus bei 100%.

Diese Stille. Sekundenlang. Der Knall. Und dann ist alles, was da irgendwo auf der Welt passiert, für lange Zeit vergessen.

Johan Bruyneel hat seinen Fahrern mal gesagt: „5 min superharte Arbeit zu Beginn eines (Rad)Rennens, können 5h nervige und harte Aufholjagt vermeiden“. So ähnlich ist das beim (Profi)Triathlon auch:

Der Lauf ist letztendlich entscheidend darüber, ob du vorne dabei bist, oder nicht.

Der Lauf ist maßgeblich von der Radperformance und Dauer abhängig. Je kürzer auf dem Rad, desto frischer für den Lauf. Je besser das Pacing auf dem Rad und je mehr du vielleicht in einer Gruppe „mitfahren“ konntest, desto mehr sind die Energiereserven verschont geblieben.

Das Radfahren ist massiv vom Schwimmen abhängig.

Das Schwimmen wiederum ist eigentlich nur von den ersten 200 Metern abhängig.

Schwimmst du zu schnell an und versuchst über die Verhältnisse zu gehen um in eine Gruppe zu kommen, haut es dich raus und du dümpelst den Rest der 3000-3500 Meter alleine vor dich hin und versuchst, Laktat abzubauen.

Schwimmst du zu langsam an, musst du ebenfalls alleine schwimmen, weil du die Gruppe verpasst hast.

Nachdem ich die letzten Jahre oftmals gut verhauen wurde beim Schwimmstart, musste es dieses Mal mit der Gruppe klappen. Gleichzeitig wollte ich mich nicht komplett zerstören zu Beginn.

Oft genug hatte ich das Zone 5 + folgende Zone 4 Schwimmen trainiert, dass es funktionieren sollte.

Und so war es auch: Ich kam in eine gute Gruppe mit; Immer noch am Ende des Profifeldes, aber: Das Hauptfeld war (anders als 2021) nicht 10-15 Minuten weg, sondern nur 2-3 Minuten. Um mich herum Top-Athleten, u.a. Jeret (Finisher Zeit 7:55), Cooper (Platz 4, 7:33), Bugallo (7:55).

An der letzten Boje machte ich einen kleinen Fehler, der mir 30-40 Sekunden gekostet hatte und ein paar Plätze. Ärgerlich, aber genau dieses jammern ist ja das, wo ich immer hinwollte. Über Details, über Renndynamiken – nicht über alles.

Meine Schwimm-Entwicklung ist enorm und so gut, dass sie viele Leute nicht haben kommen sehen.

Vor 4 Jahren war ich beim selben Kurs und selben Bedingungen 1:05 geschwommen.

Es reicht jetzt dazu, um im Mix zu sein. Um da zu sein, wo die Jungs sind, die (sehr weit) vorne finishen. Nicht Weltklasse-Niveau, völlig klar. Aber Profi-Niveau. Damit lässt sich arbeiten.

Dazu sei noch gesagt:

Du als Triathlet weißt das einzuschätzen. Aber du, der nur läuft oder du, der den Sport nie gemacht hat: Für dich klingt das wahrscheinlich alles nach „ca einer Stunde“.

Es ist eine absolute WELT von Unterschied ob du 1:05 oder 1:02 schwimmst. Nochmal eine Welt zu 59 Minuten. Und 55 ist krass anders wiederum.

Und wer jetzt denkt, dass der Sprung zu unter 50 ja jetzt easy wäre… Nein, da reden wir nochmal über 3 Welten.

Ich habe die letzten Jahre extrem, extrem viel in mein Schwimmen investiert. Jede Einheit mit 100% Fokus, nahezu jeder Tag hat eine Stabi-Einheit und/oder Mobility fürs Schwimmen. Im Becken 5x pro Woche gelitten aber auch clever gespielt, um die richtigen Dinge zum richtigen Zeitpunkt trainieren zu können.

Fast vergessen: Im Februar hatte ich mir eine Rippe gebrochen, die viel rausgenommen hat. Zwar war ich schnell wieder im Wasser, aber ich hatte seit dem keine einzige 25km Woche mehr gehabt, höchstens 22.

Will heißen: Hier ist über den Winter noch einmal ein Schub drin. Und da ich nun in Köln (2024), Hof, Turku und Kopenhagen jeweils eine gute Schwimmleistung gebracht habe, ist die „Kopfsache Schwimmstart“ nun definitiv eine andere, als davor.

Nun bringt einen die beste Schwimmperformance aber nichts, wenn die anschließende Leistung auf dem Rad nicht vorhanden ist.

Schon kurz nach dem Losfahren fand ich es merkwürdig, dass es trotz 270-300 Watt (aggressives anfahren, war geplant, ja) nur irgendwie zu 35, 36 kmh gereicht hatte. Der Gegenwind war spürbar, aber irgendwie kam mir das extrem langsam vor.

3 Athleten noch in Sichtweite beim losfahren waren kurze Zeit später Minutenweit entfernt. Der angesprochene Jeret überholte mich und ich hatte keine Chance, mitzugehen.

Durch Kopenhagen störte mich mein zerkratztes Visier am Aero Helm (ich hatte ein neues bekommen, welches jedoch um wenige Millimeter irgendwie nicht passte).

Danach wurde es kurze Zeit latent besser, bevor es richtig schlimm wurde:

Thomas Bosch überholte mich und wieder hatte ich nichts entgegenzusetzen.

In dem technischen Zwischenstück verlor ich erneut deutlich, weil in Aeroposition die Kraftübertragung immer schwieriger wurde.

Mein Ziel, so nahe wie möglich an 8 Stunden heranzukommen, glitt in weite Ferne.

Zwischenzeitlich löste sich mein Flaschenhalter, was dazu führte, dass ich eine 0.7l Flasche auf einmal wegtrinken musste, um littering und eine Disqualifikation zu vermeiden.

Vorweggenommen: Meine Fueling Strategie war den ganzen Tag en point; hier leider zu viel auf einmal. Das hatte mir 3-4 Minuten beim Laufen gekostet, da ich einen Dixie Stop gebraucht hatte bei 9 Kilometern und vorher schon kurz rausnehmen musste.

Der Rückenwind auf den letzten 20 Kilometer war so hilfreich, dass ich es zumindest noch gefühlt schnell in die Wechselzone schaffte. Ich machte mich so klein wie möglich und kauerte mich zusammen, um mit meinen gerade mal noch 170-180 Watt permanent über 42 fahren zu können am Ende.



Zu wenig, zu langsam und ganz, ganz trauriger Tag auf dem Rad.

Erklärung:
Mittlerweile bin ich mir fast sicher, dass die Position einen Tick zu aggressiv war. Ich hatte im Frühjahr meine Armpads getauscht und bin dadurch ca einen Zentimeter nach unten gekommen.

Evtl. hat dies dazu geführt, dass ich mir die Beckenarterie abgeklemmt hatte, was dann keine ausreichende Kraft mehr möglich gemacht hatte.

Ich hatte mir 4:19 auf dem Rad vorgenommen; hier war ich sehr weit weg.

Am Vorabend habe ich mit Matze einige mögliche Szenarios besprochen und welche Ziele ich für den Tag haben würde:

  • Schwimmen deutlich unter einer Stunde
  • Radfahren unter 4:30
  • Laufen unter 3 Stunden, ideal unter 2:50
  • Gesamt unter 9 Stunden als Minimalziel
  • Gesamt nahe an 8.00 rankommen, wenns gut läuft.
  • Gesamtplatzierung interessiert nur, wenn es gut läuft.

In der Wechselzone angekommen, war es dann dieses Gefühl, wie wenn du in der Halbzeit 3:0 hinten liegst und dich nur noch auf Schadensbegrenzung konzentrieren möchtest.

So war auch meine Anweisung an Matze, dass er mich nur auf dem Laufenden halten sollte, was „sub 9“ angeht. Mein Minimalziel also am Ende mit relativ großem Aufwand.

Nach der Klatsche auf dem Rad probierte ich es, jedoch kommt zur physischen dann auch die psychische Komponente dazu. 4:10 fühlt sich dann diesen Tick härter an, bzw genauso wie normalerweise 3:55.

Dennoch ein solider Lauf: Der angesprochene Dixie Stop hat Zeit gekostet. Einmal bei KM 25 musste ich für eine halbe Minute anhalten um meine rechte Seite zu dehnen und auf der letzten Runde kostete mich die mittlerweile extrem volle Laufstrecke leider letztendlich einen sub 3 Marathon. Für mich habe ich den geschafft, weil es rein von der Laufzeit bei 2:56-2:57 war; ich lege da wenig Wert auf „magische Marken“. Mir zeigt es, dass die Laufform da war/ist und ich in der Lage bin, nach 180 Kilometern noch anständig zu Laufen. Auch wenn es dann am Ende nicht für meine 2:50 gereicht hat.


Solider Lauf. 2:50 ist möglich – dieses Jahr noch. Nächstes Jahr – nach einem erfolgrichen Winter – deutlich mehr.

Am Ende war es ein guter Tag, zumindest für 2/3 des Rennens.

Auf dem Rad passiert zeitlich einfach das meiste – wenn du das verhaust, dann macht das für die Gesamtzeit natürlich einen großen Anteil.

Ich bin happy mit der Zeit (persönlichen neuen Bestzeit) und vor allem extrem glücklich und auch stolz, wieder zurück zu sein.

Bis hierhin war sehr viel mit Vorsicht im Training und sehr viel Unklarheit, was die Ziele angeht. Ab jetzt geht’s wieder normal weiter.

Meine Comeback Serie ist abgeschlossen – erfolgreicher und solider, als ich es im Juni erwartet hätte.

3 Rennen in 5 Wochen: Mental und körperlich fordernd, gleichzeitig so befreiend nach der langen Pause.

Der abschließende Marathon in Kopenhagen war von der Stimmung her das Beste, was ich je erlebt hatte. Lautstärke, Fans, meinen Namen 1000 mal gehört … das hilft, wenn sonst nicht mehr viel hilft.

Ansonsten gilt der größte Dank denen, die mich unterstützt haben – sei es vor Ort oder sei mit Nachrichten rund um den Tag. Danke dafür!

Danke auch fürs Lesen. War etwas länger heute! Wenn du es bis hierher geschafft hast, ist das auch fast wie eine Langdistanz.

Sportliche Grüße

David

PS: Die Saison ist noch nicht vorbei. Dranbleiben 😉


Danke, Kopenhagen!

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