
Ich Kann Wieder Laufen
Du hast es vielleicht schon mitbekommen. Ich war zuletzt wieder das ein oder andere Mal in Laufschuhen zu sehen und habe mich dabei in einer Bewegungsform gezeigt, die etwas von Laufsport hatte. Stimmt!
Mit dem Blog habe ich extra noch so lange gewartet, bis ich mir 100% sicher war, dass es dieses Mal auch zu 100% funktioniert. Tut es. Es funktioniert richtig gut und mein Bewegungsablauf fühlt sich an, wie Ende 2023. Als ob zwischenzeitlich nichts passiert wäre.

Aber wie ging das nun?
Ich möchte nicht mehr wirklich zurückschauen, was 2024 alles passiert und nicht passiert ist und hätte passieren müssen. Das sich diese Verletzung so lange hat ziehen können, wäre vermeidbar gewesen. Aber: Ändern kann ich daran nichts mehr. Deshalb gibt es heute das letzte Kapitel dieser Geschichte in aller Kürze.
Anfang des Jahres kamen ja durch Laufanalyse und auch durch die Behebung meiner Sprunggelenks-Blockade einige Dinge ans Licht, die Step by Step das Puzzle vervollständigten, weshalb die Sache so war, wie sie war.
Das es kein normales Schienbeinkantensyndrom war, war mir seit Tag 1 bis zu Tag 457 klar. Das es eine Ursache fernab des Schienbeins haben muss, wusste ich eigentlich permanent.
Kurz vor meinem eigentlich geplanten Start in Peniscola wurde dann ja – wie im letzten Blog über diese Verletzung berichtet – der Stecker gezogen und es war Laufpause angesagt. Mit vielen Behandlungen.
„Whatever it takes“ habe ich diese Mission genannt. Oft kopierter Satz mit oft verpuffter Wirkung.
Nicht in diesem Fall.
Ich nahm mich beim Wort. Ich war mehr im Auto unterwegs als auf dem Rad. Ich stand teilweise um 5 Uhr morgens in der Küche beim Espresso, um 07:20 einen Physio Termin in Grünwald wahrzunehmen. Ich verlagerte teilweise meine Schwimmeinheiten in das Münchner Hallenbad neben der Säbener Straße, um anschließend mit Chlorgeruch und Schwimmbrillenabdruck erschöpft auf der Behandlungsliege zu liegen und mir mal wieder ein paar Spritzen in Schienbein, Sprunggelenk und Lendenwirbelsäule geben zu lassen.
Ich kam um 22:00 nach Hause, weil ich einen späten Behandlungstermin hatte und mich der Berufsverkehr verschluckt hatte.
All das kombiniert mit trotzdem ungefähr 20-22 Stunden Training pro Woche und den üblichen Dingen die es als Chief of Get Active zu erledigen gilt.
Nicht selten saß ich um 10 Uhr Nachts im Eisbad, um abzuschalten und um die Regeneration auf höchstmöglichen Niveau zu halten (PS: Meal Prep und tägliche Power Naps sind/waren hier übrigens der größte Schlüssel, um nicht einzugehen!)
Aber warum hat`s dieses Mal funktioniert? Was war anders als genau vor einem Jahr?
Das ist sehr einfach erklärt:
Bereits vor einem Jahr hatte Dr. Jochen Hahne zu mir gesagt: „Ich würde (zusätzlich zur ärztlichen Behandlung) mal zu Bernd Schosser gehen. Der ist der Physio mit dem ich die DFB-Elf mache… vielleicht kann der dir helfen!“
Vor einem Jahr habe ich gedacht: Warum? Ich habe regelmäßig Physio und ich bin so viel bei mehreren Leuten in Behandlung … was soll mir ein anderer Physio bringen, der einfach nur 100 Kilometer weiter weg ist?!
Ich dieses Mal: Ich tue alles. Weil es ernst ist, 2 nach 12 anstatt 10 vor 12. Es ist der last chance saloon und ich muss alles tun, um gesund zu werden. Also probiere ich das selbstverständlich!
Und so kam es, dass ich beim TTZ in München Solln einen Termin vereinbaren wollte. Warum ich nun direkt am nächsten Tag bei Bernd Schosser einen Termin bekommen habe, weiß ich nicht. Aber das war ein bisschen Glück und vielleicht hat`s eben mal so sein sollen.
Im Münchner Feierabendverkehr sagte mein Navi eine Verspätung von über 10 Minuten voraus, da klingelte er, fragend wo ich bleibe. (Physio ist kein Arzt; Hier ist eben alles getaktet).
Zitat: „Naja, dann geben wir eben ein bisschen Gas“.
Und selbst hier dachte ich noch: Ach Mann… ich steh jetzt hier ne Stunde im Stau, um dann 20 anstatt 40 Minuten Behandlung zu haben. Was soll das eigentlich bringen?! Hätte ich auch daheimbleiben können.
Angekommen, auf die Liege und los ging`s:
Bernd machte ein paar kleine Tests was meine Beweglichkeit anging. Sagte mit sehr viel Ruhe, dass es nichts bringen würde da jetzt zurückzuschauen und dass wir das schon wieder hinkriegen.
Er schaute recht skeptisch, als er sah, dass mein Unterschenkel keine richtige Rotationsfähigkeit mehr besaß, weil das Knie anscheinend blockierte.
Die Methode der „Befreiung“ des Kniegelenks war – nach all den Jahren und all den unterschiedlichen Therapeuten die ich schon hatte – mir etwas komplett Neues. Und es schnackelte deutlich im Knie. Ich hatte das Gefühl, sogar er hatte ein wenig Freude daran, dass der „Move“ so gut funktioniert hat.
Witzig dabei:
Ich bin nach der Behandlung aus dem Gebäude raus und ich konnte die Treppenstufen bereits nahezu schmerzfrei gehen.
Er verordnete mir noch 20 Minuten lockeres Radfahren nach der langen Autofahrt (das war dann 22:00 auf dem Rad) um dafür zu sorgen, dass es auch „so bleibt“.
Wir haben die Knie-Manipulation noch einmal wiederholt in der folgenden Woche, wobei er gleich da schon der Meinung war, dass die Sache gut „gehalten“ hatte.
Bis heute war ich jede Woche noch bei Jochen und/oder Bernd in Behandlung, teils zur Kontrolle, teils zu leichten Korrekturen.
Am 26.04. durfte ich das erst Mal einen Lauf-Versuch starten. Mein Reha-Programm ist erprobt und funktioniert (wenn biomechanische Probleme behoben sind) immer zu 100% – egal ob bei mir oder bei meinen Athleten.
So ging es 15 Minuten in die Laufschuhe, dabei 1 Minuten Gehen, 1 Minute Laufen im Wechsel. Ich gebe zu, ich war vor dem „Lauf“ mehr aufgeregt, als vor einem Wettkampf. Denn, sollte dieser schiefgehen, wären die Chancen auf Wettkämpfe dieses Kalenderjahr bei nahe 0%. Sollte dieser klappen, gäbe es zumindest eine kleine Chance auf ein Comeback.
Es hat gehalten. Und besser noch: Es hat sich sensationell angefühlt. Der Bewegungsablauf so gut und flüssig wie sehr, sehr lange nicht mehr.
Nach der Cortisonspritze im Sommer 2024 (mittlerweile weiß ich, dass das nicht der richtige Weg war. Und mittlerweile kenne ich Bilder und Geschichten von Knochen, die dann ohne Haut aus dem Körper geschaut haben, weil die Haut sehr dünn wurde. Wenn ich mich an den Anblick meines Beins im Oktober erinnere, war ich nicht weit davon entfernt) war ich zwar an der Stelle direkt am Schienbein schmerzfrei, die folgende Hüftverletzung war aber eine absolut logische Folge, weil die Biomechanik einfach schrecklich war!
Das Laufen jetzt fühlt sich großartig an. Klar fehlt es gewaltig an der Fitness im schnelleren Bereich. Aber die Grundlage ist bei 1:10h Laufzeit und einer 4:35er Pace bei einem Puls von ~135 schon wieder da, wo sie mal vor sehr langer Zeit war.
Vor, nach und während dem Lauf kein Schmerz mehr. Kein Tape. Keine Bandage. Ich kann einfach laufen – und dafür bin ich extrem dankbar und darüber bin ich unfassbar glücklich.
Beim mNet Firmenlauf durfte ich das Südstahl Team (Ich habe die Fa. Südstahl letztes Jahr auf dem Weg zum München Marathon gecoacht) begleiten. Mir war völlig egal wie schnell ich da laufe; Kurz nach dem Start wollte ich mal „kurz“ an ein paar Leuten vorbei, weil es unfassbar voll war (Spoiler: Das blieb bis zum Ende so) und beschleunigte etwas. Ich schaute dann nach einem Split Kilometer auf die Uhr und sah mit Verwunderung die 3:37 da stehen.
Das ich nachher recht langsam laufen musste, weil es einfach zu voll war, war mir in dem Moment egal. Aber das Gefühl wieder einigermaßen schnell und nahezu „effortless“ dabei zu laufen, war mega und ich hatte das so lange nicht erlebt.

Es war ein langer Weg. Bestimmt gute 50 Nadeln in Schienbein, Fuß und Rücken. Kilometer im Auto. Schlechte Regeneration und ausgefallene Trainingseinheiten.
Ziel erfüllt: Whatever it takes. Mission erfolgreich.
Es hätte ein kurzer Weg sein können! Hätte ich letztes Jahr schon die Aussage ernster genommen und wäre da schon in die Sollner Straße in die Physio Behandlung gefahren, wäre wahrscheinlich aus über einem Jahr ein ziemlich kurzer Zeitraum geworden.
Aber: Lässt sich nicht ändern und ist auch okay so.
Bin ich deshalb verärgert? Maximal auf mich selbst. Ich gehe immer davon aus, dass alle Leute, bei denen ich in Behandlung bin und war, das Beste geben.
Oft hilft das, manchmal nicht.
Die Tragweite der Ganzen Geschichte – also was es für mich bedeutet – haben am Ende nur wenige Leute gesehen. Für mich hat es die Welt bedeutet und bedeutet es unfassbar viel, wieder schmerzfrei zu sein. Psychisch bin ich wieder ein anderer Mensch und kann wieder über Dinge lachen, die mich vorher nicht mehr berührt hatten.
Ich mag nicht zu dramatisch klingen, aber es wurde allmählich grau. Mein Leben dreht sich um den Sport – und da war so vieles nicht mehr möglich und auch nicht mehr absehbar. Ein wenig Dr. House war definitiv in mir angekommen. Sei es aus Schmerz- oder Schmerzmittelgründen.
Der Gedanke ans Aufhören (und damit ja nicht nur als Athlet, sondern auch die Coaching Tätigkeit konnte ich ja letztendlich nur noch teilweise ausführen) war da und wurde in den letzten Wochen nicht wirklich schwächer.
Gefühlt kam es mir so vor, dass manche Leute mich nur noch so (verletzt) kannten. Es war kein großes Ding mehr, da ja „immer irgendwas“ war. Dabei war gar nichts, außer dieser einen Sache, die kam und nicht mehr ging.
Letztlich zeigt das alles aber auch wieder: Es wird keiner kommen, um dich einmal zu holen. Geh alleine los. Du musst selbst an dich glauben in solchen Situationen und selbst nach der Lösung suchen. Ich hoffe auch hier – quasi abseits des Platzes – es mal wieder geschafft zu haben, zu zeigen, dass sich solche Wege lohnen können. Und dass es immer zwei Möglichkeiten gibt: Aufgeben und akzeptieren. Oder weitermachen und bis zum Ende gehen.
Im Sport sieht man oft das Resultat: Den Spieler der ein Tor schießt. Der Triathlet der durch die Ziellinie läuft. Aber den Weg dahin, bekommt oft keiner mit.
Die Behandlungs-Odyssee ist beendet. Montag noch einmal, dann habe ich da eine Weile Ruhe. Der Fokus liegt wieder voll auf dem Training.
Nun liegt es wieder in meiner eigenen Hand. Ich kann wieder Laufen und habe jetzt 8 Wochen bis zum ersten Wettkampf. Voraussichtlich.
Ob es irgendeinen „kleinen“ Vorbereitungswettkampf gibt, weiß ich noch nicht. Das hängt alles ein wenig vom Training ab und wie es sich jetzt insgesamt entwickelt.
Mental macht einen sowas – WENN man dann zurückkommt – ggf tatsächlich stärker. Körperlich, naja. Aber jetzt gilt es, das gleiche Mindset, welches ich über die gesamten letzten Wochen und Monate hatte, ins Training umzusetzen. Alles dafür zu tun, um so fit und so gut an die nächste Startlinie zu kommen, wie es möglich ist. Risiko im Blick behalten. Training und Regeneration hat absolute Priorität. 8 Wochen bis zu einer Mitteldistanz sind nicht viel, aber ausreichend. 3 Wochen mehr bis zu einer Langdistanz sind auch nicht viel, aber ebenfalls ausreichend.
Lets go!
Kapitel MTSS abgeschlossen.
Danke fürs Lesen und sportliche Grüße
David